Mit der Schließung der letzten beiden nordrhein-westfälischen Zechen Prosper-Haniel und Ibbenbüren ist eine traditionsreiche Industrieära nach Jahrhunderten beendet. Sechs Jahre nach Ende des Saarbergbaus wurde am 20./21. Dezember zunächst in einem ökumenischen Festgottesdienst und tags darauf in einem Festakt auf dem Bergwerk Prosper-Haniel mit der symbolisch geförderten „letzten Kohle“ Abschied vom deutschen Steinkohlenbergbau genommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dem das letzte Stück Kohle von ausfahrenden Bergleuten am Schacht überbracht wurde, würdigte diesen historischen Moment mit dem Satz: „Das ist mehr als ein Stück Kohle, das ist Geschichte!“
Eine über 200 Jahre währende Industriegeschichte mit vielen wechselvollen Facetten hat ihren Abschluss gefunden, der endgültige Abschied wird in die Geschichtsbücher eingehen.
Die Steinkohle bildete die Grundlage für die Technisierung und den technischen Fortschritt zu Beginn des Industriezeitalters. Zwischenzeitlich in heillose Kriege involviert, ermöglichte sie nach dem letzten Weltkrieg das Aufblühen der Wirtschaft, das Entstehen von Arbeitsplätzen und das Aufkommen von Wohlstand in der Bevölkerung. Das sog. Wirtschaftswunder hätte es in den 50er bis 60 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ohne die Steinkohle als wertvoller Bodenschatz und Energieträger so nicht gegeben.
In Spitzenzeiten -Ende der 50er Jahre- zählte die Industriebranche an Rhein, Ruhr und Saar über eine halbe Million Beschäftigte. Dabei spielten Werte und Tugenden, die auf einer verlässlichen Kameradschaft beruhten, eine tragende Rolle.
Durch die große Stahlkrise und das Aufkommen von billiger Importkohle, Erdöl, Erdgas sowie Kernenergie wurde die heimische Steinkohle jedoch in den 60er Jahren mehr und mehr vom Markt verdrängt. Die Kohle verlor mit dem Abbau in zunehmend größerer Teufe zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit, der schnell voranschreitende Beschäftigungsrückgang gestaltete sich in dieser Zeit teilweise krisenhaft.
Nach einem kurzfristigen Strategiewechsel in der Energiepolitik mit Rückbesinnung auf die heimische Kohle in den 70er Jahren aufgrund der damaligen Energiekrisen hat sich jedoch wieder ab den 80er Jahren – insbesondere wegen der dauerhaft notwendigen Subventionierung der Kohle bei gleichzeitiger Entspannung auf dem internationalen Energiemarkt – der vorherige Rückzug eingesetzt, bis hin zum völligen Ausstieg aus der Steinkohle in der Folge des großen Bonner Kohlenkompromisses in 1997, besiegelt für das Jahr 2018 im Steinkohlefinanzierungsgesetz von 2007.
Aus heutiger Sicht ist der energiepolitisch gewollte Ausstieg aus der Steinkohle geordnet und sozialverträglich vonstatten gegangen. Kein Bergmann ist in dem schwierigen und lang andauernden Prozess ins Bergfreie gefallen.
Was bleibt, ist die Erinnerung an eine bedeutsame Ära, die als „Motor“ des Industriezeitalters galt – leistungsstark und innovativ stets verlässliche Energie lieferte, Lohn und Arbeit für Zigtausende brachte. Ebenso wurde im Bergbau über viele Jahrzehnte eine -wie man sagen dürfte- funktionierende Sozialpartnerschaft gelebt, mit vorbildlichen sozialen Leistungen und Errungenschaften.
Erwähnung finden sollen aber auch die mit dem Bergbau verbundenen Auswirkungen auf die Tagesoberfläche. Sie führten zu einem steten Spannungsfeld, in welchem Bevölkerung und Bergleute in einer Art „Schicksalsgemeinschaft“ nicht nur von der Kohle, sondern auch mit der Kohle lebten, und in welchem nach dem Erschütterungsereignis von 2008 im Jahr 2012 die Steinkohlengewinnung im Saarland zeitlich vorgezogen zu Ende ging.
Nach der langen und überaus bedeutsamen Ära des deutschen Steinkohlenbergbaus folgt im Anschluss an die Stillsetzungsphase flächendeckend die sog. Nachbergbauära. Für RAG und RAG-Stiftung bedeutet dies, vorhandene Altlasten und die Ewigkeitsaufgaben sorgfältig zu bewältigen und ehemalige Bergbauflächen einer sinnvollen Folgenutzung zuzuführen.
Schließlich gilt es aber auch, die Erinnerungskultur als verpflichtendes Erbe des Steinkohlenbergbaus in den ehemaligen Revierländern weiter zu pflegen. In Zeiten des Wandels erscheint es besonders wichtig, Herkunft und Wurzeln zu kennen und in diesem Wissen die Zukunft zu gestalten.
Zur Wahrung der Erinnerung an eine Branche, die für viele Menschen identitätsstiftend, wie kaum eine andere war, will der Förderverein BergbauErbeSaar e.V. mit dem Saarpolygon als sichtbares Symbol der Erinnerung, des Wandels und der Zukunft im Fokus einen Beitrag leisten.
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